Neues Projekt? Das ist gut! Doch kaum ist das neue Team gebildet, kommen schon die ersten Reibereien auf. Und natürlich entstehen gerade am Anfang eines neuen Projektes Konflikte in den Bedürfnissen und Wünschen der einzelnen Teammitglieder.
Der Organisationspsychologe Bruce W. Tuckman hat sich die Interaktion von Menschen bereits in den 1960er Jahren angesehen und festgestellt, dass gerade am Anfang die Performance von Teams einbrechen kann. Er hat ein Phasen-Modell abgeleitet, das die Interaktion von Mitgliedern einer kleinen Gruppe beschreibt.
Doch was genau hat es mit diesen Phasen auf sich? Und wie hilft das Modell, die Teamarbeit zu verbessern?
Die vier Phasen
Die folgende Tabelle gibt die vier Phasen des Tuckman-Modells wieder:
Phase | Besonderheiten |
---|---|
Forming | Die Teammitglieder kommen das erste Mal in einer neuen Konstellation zusammen. Dieses Kennenlernen und erste Beschnuppern ist oft mit Unsicherheit verbunden: Werde ich vom Team akzeptiert? Kann ich mich in diesem Team voll entfalten? In dieser Phase sind die Beziehungen der Teammitglieder untereinander noch völlig unklar. |
Storming | Die Teammitglieder versuchen, über Aufgaben- und Rollenkonflikte ihr Revier abzustecken. Diese Phase ist besonders kritisch, da Unterschiede in Werten und Gewohnheiten offensichtlich werden. In dieser Phase entwickelt sich die informelle Hierarchie im Team. |
Norming | Die Teammitglieder haben ihre Position im Team gefunden und sind bereit, zusammenzuarbeiten. Das Festlegen von Regeln und die gemeinsame Definition von Rollen (norming) im Team unterstützen diesen Prozess. |
Performing | Die Zusammenarbeit bereichert alle Teammitglieder, sie fühlt sich erfolgreich an und motiviert. Der Outcome des Teams steigt spürbar. |
Das Modell spielt kaum eine Rolle, wenn ein Team bereits seit längerem unverändert existiert. Tuckmans Theorie besagt, dass das Team immer dann alle oben beschriebenen Phasen (erneut) durchwandert, wenn es neu aufgestellt oder umbesetzt wurde. Am kritischsten ist die Storming-Phase, da zu diesem Zeitpunkt die Teammitglieder ihre Beziehungen zueinander (neu) definieren. Dies kann in einigen Teams sehr emotional werden.
Diese Phase ist für Firmen kritisch, da in dieser Zeit weniger am Produkt gearbeitet wird. Viele Teammitglieder und Vorgesetzte neigen daher dazu, die in dieser Zeit aufkommenden Konflikte wegzudiskutieren oder per Anweisung zu beenden.
Leider sorgt genau dieses Verhalten dafür, dass das Team nicht aus dem Tief kommt. Im Gegenteil: die Storming-Phase kann sich über die gesamte Lebenszeit des Teams ziehen und sorgt im Extremfall für ein Scheitern eines Projektes.
In stürmischen Zeiten…
Für das Team ist es daher wichtig, in der Storming-Phase sehr aufmerksam zu sein. Teams, die sich in der Storming-Phase befinden, müssen sich mehr oder weniger mit sich selbst beschäftigen. In Scrum kümmert sich der Scrum Master darum, dem Team die aufkommenden zwischenmenschlichen Konflikte aufzuzeigen und sich bewusst mit ihnen auseinanderzusetzen.
Natürlich kann jedes andere Team in eine Storming-Phase kommen. Es ist dann wichtig, dass das Team entsprechend begleitet wird. Dies können sowohl Führungskraft als auch Agile Coaches übernehmen.
Führung durch stürmische Zeiten
In jedem Fall gilt es, die Storming-Phase so kurz wie möglich zu halten, diese jedoch auch nicht zu unterdrücken. Diese Gratwanderung ist schwer, wird aber mit folgenden Tipps erleichtert:
Was? | Warum? |
Konflikte im Team offen ansprechen | Es ist wichtig, dass das Team Konflikte klärt. Jede Klärung sorgt dafür, dass die Teammitglieder lernen, mit Diskussionen auf gesunde Weise umzugehen. Wichtig: eine Klärung lässt sich nicht anweisen! Es geht vielmehr darum, dass Vermeidungsstrategien abgelegt werden und eine offene und ehrliche Diskussionskultur entsteht. Das erfordert von allen Teammitgliedern Mut, Offenheit und Respekt. |
Konfliktklärung ritualisieren | Konflikte klären ist nicht jedermanns Sache. Sie sind unangenehm und emotionsgeladen. Es ist wichtig, sie als normale Themen des Miteinanders zu akzeptieren. Im Umgang mit diesem Themen helfen strukturierte Ansätze, beispielsweise die gewaltfreie Kommunikation, die kollegiale Fallberatung und für komplexere Fälle die Mediation durch Fachleute. |
Vertrauen ins Team stärken | Vertrauen ist die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Wer die Kolleg*innen kennt und weiß, wie sie*er tickt, weiß auch mit den Marotten umzugehen. Zum Kennenlernen helfen Werkzeuge wie beispielsweise Appreciative Interviews oder Drawing Together. In Retrospektiven kann „Heard,Seen, Respected“ den Einstieg erleichtern. |
Zusammenfassung
Das Vier-Phasen-Modell erklärt, welche Interaktionen bei neuen oder veränderten Teams entstehen. Die Storming-Phase ist dabei sehr wichtig, weil diese erklärt, warum es in neu gebildeten Teams zu Performanceeinbrüchen kommen kann. Die in dieser Phase auftretenden Konflikte sind völlig normal und sogar notwendig.
Es ist wichtig, dass diese Konflikte offen angesprochen und im Sinne der Teamfindung verarbeitet werden. Rituale helfen, diesen Prozess zu beschleunigen. Das Team lernt sich dadurch besser kennen und weiß, wie es in der Zukunft mit anderen Konflikten besser umgeht. Das stärkt den Zusammenhalt und das Vertrauen im und ins Team.
Zum Weiterlesen
- Sebastian Nemak, Oliver Hoogvliet. Tuckmans 4-Phasen-Model. codecentric, 24.07.2018
- Suri Patel. How to strengthen agile teams with tuckmans model. gitlab.com, 13.12.2019
- Liberating Structures: Innovation durch echte Zusammenarbeit
- Marshall B. Rosenberg. Gewaltfreie Kommunikation. 12. überarb. und erw. Auflage. Junfermann, Paderborn 2013. ISBN 978-3-95571-572-4